Uhrwerke

Werkaufbereitung
 
Ein paar Worte zur Qualität von Uhrwerken vorweg. Die Qualität eines Uhrwerks hängt von 3 Faktoren ab.
 
1. Die Konstruktion: Hier zeigt sich, ob ein Werk Schwachpunkte hat, welche häufig zu Defekten führen, Das können ganz simple Dinge sein, wie eine zu leichtgängige Regulage, welche dazu neigt sich schnell zu verstellen. Natürlich auch ägerliche Fehler, wie ein zu schwach gestalteter Aufzug der nach kurzer Zeit verschlissen ist. Konstruktive Mängel können sehr selten behoben werden, lediglich repariert! Da die Konstruktion eines Uhrwerkes eine recht kostspielige Angelegenheit ist, stellt sich der dahinter stehende Aufwand meist mit dem Preis dar. Wirklich ausgereift und durchdacht kostet eben mehr!

2. Die für die Fertigung verwendeten Maschinen: Die beste Konstruktion leidet natürlich, wenn die Ausführung nicht stimmt. Sehr hochwertige Maschinen mit geringsten Fertigungstolleranzen sind eine große Inverstition und schlagen sich ebenfalls auf dem Stückpreis nieder. Dazu kommt, dass der technische Fortschritt sehr schnell gehen kann, damit die Erwartungen an die Qualität steigen und öfter hohe Inverstitionen notwendig werden können. Bei der Montage eines Kalibers merkt man sehr schnell wie präziese dieser gefertigt wurde - ob Räder kippeln oder kerzengerade stehen, welche Ablaufgeräusche ein Werk ohne die Hemmung macht, usw.

3. Die verwendeten Materialien: Die Qualität der Materialien hat zuerst auf den Verschleiß großen Einfluß. Es erscheint logisch, dass eine gehärtete Welle länger maßhaltig ist als eine nicht gehärtete. Auch die Vielzahl neuer Materialien (Wolframstahl, Keramik, Kugellager,...) hat einen Einfluß auf die Qualität und Funktionalität eines Kalibers. Vieles, was früher auf Grund fehlender Materialien nicht möglich war, ist heute Standard.
 
Viertens noch eine Anmerkung zur Technik: Es gibt viele Erungenschaften, welche zwiespältig sind! Eterna hat den kugelgelagerten Rotor erfunden, dies ist ist sicher ein Fortschritt in Bezug auf die Aufzugsleistung einer Automatikuhr gewesen. Um aber ehrlich zu sein, dieser Fortschritt hat auch seine Schattenseite. Die Aufzugsleistung wurde durch die Verwendung von Kugellagern als Rotorlager deutlich verbessert - bis 100 %, allerdings wurde auch der Verschleiß dieses Lagers damit erheblich beeinflußt! Certina z.B. hat dagegen seine Rotoren fast immer steingelagert, sicherlich mit einer deutlich schlechteren Rotorleistung aber mit einer nahezu unschlagbaren Verschleißfestigkeit. Mal ehrlich, was nützt es dem Besitzer einer Uhr, wenn die Automatik bereits nach 3 Stunden die Zugfeder vollkommen aufgezogen hat durch die natürliche Bewegung des Trägers, allerdings nach wenigen Jahren das Rotorlager verschlissen ist? Der Certina Rotor benötigt zwar ca. die doppelte Zeit, allerdings habe ich bei bestimmt 200 Certina Automatikwerken noch nie ein defektes Rotorlager gesehen (1 x eine gebrochene Rotorachse!). Die Aufzugsleistung ist zwar auch geringer aber dennoch vollkommen ausreichend bei diesen Werken. Also sollte man sich darüber im Klaren sein, dass nicht alles, was machbar ist auch sinnvoll sein muss!

Auch Uhrmacher können nicht zaubern! Es ist trotz aller Sorgfalt nicht möglich aus einer schlichten Junghans Herrenuhr einen Chronometer zu machen. Bitte bedenken Sie, dass das Ergebnis einer Überholung niemals besser sein kann als der Fertigungsstandard. Lasten Sie es bitte nicht ihrem Uhrmacher an, wenn ihre sehr einfache Uhr eben keine Chronometer-Gangwerte hat, nachdem sie überholt wurde!

 sehr hochwertig - standard

Wenn auch nur einer der drei o. g. Punkte nicht ausreichende Berücksichtigung erfahren hat, ist Spitzenqualität nicht mehr möglich. Es läßt sich an alten Werken sehr gut verfolgen, welchen Fortschritt Uhrwerke durchlebt haben. In den 20/30er Jahren kamen Edelstähle auf und fanden ihre Verwendung. Lange noch nur als Bodenmaterial, später dann auch verstärkt als Gehäusematerial. Dies hat aber fast 60 Jahre gedauert, da Edelstähle sehr hart sind und die Bearbeitung sehr aufwendig ist. Anfang der 60er Jahre gab es einen großen Fortschritt in der Fertigungstechnik, die neuen Maschinen waren einfach erheblich präzieser und die Produkte deutlich genauer und haltbarer. Auch diese Umstellung auf die neuen Maschinen haben fast 15 Jahre gebraucht bis sie allgegenwärtig waren. Ein Resultat daraus war, dass viele kleinere Manufakturen aufgaben, da die neuen Maschinen nur mit großen Stückzahlen zu bezahlen waren. Aber auch diese Hersteller hat es fast alle erwischt, als die Quartzuhr Einzug hielt. Schlagartig waren die großen Stückzahlen nicht mehr gebraucht, häufig fehlten Erfahrungen mit Quartzwerken um die Produktion umstellen zu können. Heute sind es vor allem neue Materialien wie Ceramik, neue Legierungen die bei Uhren angewandt werden und für Neuerungen sorgen.
 
Aber auch die beste Qualität - gemessen an ihrer Zeit - ist vergänglich. Ich habe schon einige ROLEX Uhren gesehen, die schlicht aufgebraucht waren. Die Qualität war sicherlich mit das beste, was man 1930 kaufen konnte aber auch hier gibt es Grenzen in der Haltbarkeit. Wenn eine solche Uhr 70 Jahre lang ihren Dienst getan hat, hat sie eine derartige Laufleistung hinter sich, dass dies schon erstaunlich ist. 70 Jahre x 350 Tage x 24 Stunden = 588.000 Stunden x 60 Minuten = 35.280.000 Minuten!! In dieser Zeit hat die Unruhe 10.584.000.000 mal geschwungen. Es gibt wohl niemanden, der diese Laufleistung kritisieren würde. Von einem Rolls Roys erwartet niemand eine vergleichbare Laufleistung!! 
 
Das größte Problem bei alten Kalibern wird zunehmend die Ersatzteilversorgung. Besonders beliebte Werke, aber auch Werke mit sehr großen Fertigungszahlen sind hier am stärksten betroffen. Mit steigender Stückzahl ist der Ersatzteilbedarf ebenfalls größer, die Ersatzteilrückhaltungen der Hersteller aber nicht unbedingt!  Bei einfachen, preiswerten Uhren gibt es wenigstens noch eine große Zahl von Gebrauchtteilen, mit denen man sich helfen kann. Ganz schwierig ist es aber mit hochwertigen Kalibern die selten sind, hier würde selbst ein Spenderwerk sehr viel Geld kosten. Auch wenn einige Hersteller begonnen haben einige Ersatzteile nachzufertigen, so lassen diese sich dies sehr gut bezahlen. Das Anfertigen von Ersatzteilen ist zwar möglich aber stets der teuerste Weg einer Reparatur. Aus diesem Grund habe ich früh angefangen Ersatzteile aufzukaufen und auch Spenderwerke zu sammeln. Ergebnis ist ein Lager mit rund 80.000 Originalersatzteilen und ca. 1000 Spenderwerken. Werke die früher belächelt wurden, sind heute gefragt, Teile die niemand haben wollte, sind heute gesucht.
 

Aufarbeitung
 
1. Reinigung:
Um ein Uhrwerk ordentlich zu reinigen, muss es vollständig zerlegt werden. Hierfür wird das Werk demontiert und die Teile nach Baugruppen gesammelt. Alle Teile kommen anschließend in spezielle Reinigungskörbchen mit Unterteilungen, werden fest verschlossen und anschließend in einer Rotationsreinigungsmaschine gereinigt. An die Reinigung schließen sich zwei Spühlvorgänge an. Die Trocknung der Teile schließt die Reinigung ab. Nach dem Säubern werden die Teile in Augenschein genommen und ggf. manuell nachgearbeitet, anschließend wieder montiert. Zuerst wird eine Gangprobe ohne eingebaute Hemmung vorgenommen. Hierbei läßt sich sehr gut sehen und hören, ob das Räderwerk korrekt abläuft. Nachdem alle Teile wieder montiert und alle Lagerstellen geölt wurden, wird das Werk auf der Zeitwaage geprüft. Die Zeitwaage dient zum Einstellen des Ganges - zuerst die Stellung des Plateaus zum Anker korrigiert (Abfall), um sicher zu stellen das das Werk sauber schwingt. Zuletzt wird der Gang mit Vor- und Nachgang korrigiert, kleinere Lagenfehler dabei ausgeglichen. Da es einen Unterschied macht, ob eine Uhr auf der Krone steht oder mit dem Zifferblatt nach oben (beide Lagen sind beim Tragen die Regel), müssen beide Lagen geprüft werden. Bei der Lage "Zifferblatt oben" liegt zum einen die Spirale horizontal, zum anderen reibt ein Zapfen der Unruhe auf seiner Spitze. Bei der Lage "Krone unten" hingegen liegt die Spirale vertikal und die Zapfen (beide) reiben auf den Seitenflächen am Lagerstein. Diese beiden Lagen haben den größten Einfluss auf den Gang der Uhr, wenn sie am Arm getragen wird, finden daher die größte Beachtung beim Reglen des Ganges. Die anderen Lagen ("Blatt unten", "Krone oben") werden natürlich auch berücksichtigt.
  Eine für die Bearbeitung vollständig zerlegte Armbanduhr (Omega)


Aber auch nach dem die Uhr eingeregelt ist, ist die Prüfung noch nicht beendet. Schaltet das Datum? Zieht die Automatik auch auf? Hierfür kommt die montierte Uhr auf ein Umlaufgerät (Uhrenbeweger) und bleibt für 2 - 3 Tage darauf. Abschließend wird geprüft, ob das Werk die Gangreserve (38 - 72 Stunden) hat, welche der Hersteller angibt. Es hat sich leider immer mehr die Reinigungstechnik dahingehend verändert, dass Werke montiert gereinigt werden. Dies beinhaltet aber nicht mehr die Kontrolle der einzelnen Komponeten und entfernt die Verschmutzung auch nur dürftig. Natürlich liegt der Vorteil darin, viel Handarbeit zu sparen und preiswert sein zu können, die Ergebnisse allerdings sind selten zufriedenstellend. Ebenso verhält es sich mit der sogenannten "Trockenschmierung". Hier wird kurzerhand das Gesammte Werk - nicht nur die konkreten Schwierstellen - geschmiert. Häufig lassen sich die Reste dieser Art zu schmieren nur sehr schwierig wieder entfernen, unansehnliche Werkoberflächen sind oft die Folge. Eine handwerklich korrekte Reinigung umfaßt daher immer die vollständige Zerlegung des Kalibers und gezielte Schmierung der Schmierstellen. Das ist schon deshalb nur sinnvoll, da verschiedene Schmierstellen sehr unterschiedliche Öle und Fette benötigen!

2. Wechseln einer Unruhwelle:
Eine Unruhe besteht im wesentlichen aus vier Teilen: Die Unruhwelle, die Spirale, den Unruhreif und das Plateau. Um die Welle wechseln zu können, müssen die vorgenannten Teile getrennt werden, Plateau und Spirale sind in der Regel aufgeklemmt, der Unruhreif hingegen ist meist auf die Welle genietet. Nach dem Trennen der Teile wird zuerst der Reif mit der neuen Welle vernietet, anschließend das Plateau aufgepreßt. Jetzt kommt eine sehr wichtige Arbeit, welche viel Sorgfalt erfordert - das Auswuchten der Unruhe. Um die Unruhe wuchten zu können, werden die Wellenzapfen auf die Unruhwaage gelegt. Die Unruhwaage ist wie ein feiner Schraubstock mit 2 scharfen Schneiden - meist aus Achat geschliffen - auf diesen liegen die Zapfen der Unruhwelle auf. Sehr wichtig ist hierbei, dass die Unruhwaage absolut gerade steht. Stößt man nun die Unruhe an und bringt sie in Rotation, wird das Auslaufen dieser Bewegung beobachtet. Läuft die Unruhe nach dem Anhalten noch einmal zurück und pendelt sich ein, hat sie einen Schwerpunkt. Exackt an dieser Stelle (unten) muß sie entweder leichter oder gegenüber schwerer gemacht werden. Bei Schraubenunruhen geschieht dies durch unterlegen von Gewichtsscheiben, bei Ringunruhen durch abnehmen von Material an der Unterseite. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis die Unruhe nur in Bewegungsrichtung ausläuft und zur Ruhe kommt. Ohne diese neue Auswuchtung, vergrößert sich der Lagenfehler enorm, da diese Unwucht sich in den unterschiedlichen Lagen mehr oder weniger stark auswirkt.

Je genauer hier gearbeitet wird, desto geringer werden später die Lagenfehler ausfallen!  Zuletzt wird auch die Spirale wieder montiert, hierbei gilt es darauf zu achten, dass ihre Position zum Plateau richtig ist. Das Plateau (auch Doppelscheibe) hat einen Stift aus Rubin, welcher später in die Ankergabel greift und den Anker bewegt. Der genaue Sitz der Spirale bestimmt später die genaue Stellung der Unruhe zum Anker und verhindert, dass die Unruhe "hinkt". Die Stellung der Unruhe zum Anker wird Abfall genannt und in ms (Millisekunden) gemessen. Optimaler Weise sollte die Zeit, die vergeht, wenn der Anker anschlägt am Hemmungsrad (Eingang) exackt genauso groß sein, wie zum nächsten Anschlag (Ausgang). Dies ist gegeben, wenn das Plateau (unten an der Unruhe) mit dem Hebestein im Ruhezustand exackt mittig zur Ankergabel steht.
Eine Unruhwelle auszutauschen ist also keine Kleinigkeit und erfordert sehr viel Sorgfalt, wenn das Ergebnis zufriedenstellend sein soll!

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